„Yogalehrerausbildung – ja oder nein?“
Nie hätte ich gedacht, dass ich mir diese Frage einmal stellen würde. Zu lang hatte es gedauert, bis ich Yoga als Schülerin etwas abgewinnen konnte, als dass ich mir hätte vorstellen können, die Rolle der Lehrerin einzunehmen.
Doch als ich erst einmal Blut geleckt hatte, ging es ziemlich schnell.
Vorher – die Entscheidungsfindung
Gerade einmal ein Jahr war vergangen, seit ich angefangen hatte, Yoga regelmäßig zu praktizieren, als meine damalige Lehrerin im Kurs erwähnte, dass demnächst eine neue Ausbildung starte. „Betrifft mich nicht“, dachte ich. „Was will ich Leuten denn schon beibringen, ich bin doch selbst noch nicht so lang dabei.“
Doch dann, in der Woche darauf, kam meine Lehrerin nach dem Kurs direkt auf mich zu und sprach mich auf die Ausbildung an. Sie meinte, sie hätte bei mir so ein Gefühl, dass dieser Weg der richtige für mich sein könnte und dass sie sicher sei, ich würde eine gute Lehrerin abgeben – und nein, sie erhalte keine Provision für das Anwerben von „Yoga-Azubis“ 😊
Mit einem warmen Tee in der Hand redeten wir lange an diesem Abend. Über die Ausbildung, ihre eigenen Erfahrungen, meine Bedenken dazu, aber auch über uns im Allgemeinen. Dabei stellten wir fest: wir haben einiges gemeinsam. Als sie sich für die Ausbildung anmeldete, war sie in einer sehr ähnlichen Lebenssituation wie ich in diesem Moment, und für sie war es die beste Entscheidung überhaupt.
Außerdem brachte sie meine Überzeugung, zu unerfahren zu sein, ins Wanken, als sie mir erzählte, eine andere Teilnehmerin unseres Kurses habe sich bereits angemeldet – man brauche keine profunde Vorkenntnis oder -praxis, es reiche, wenn man Lust und Interesse hätte, tiefer in die Materie einzutauchen: die Philosophie, die Mythologie, die Anatomie, die korrekte Ausrichtung der Asanas und noch vieles mehr.
Darauf hatte ich auf jeden Fall Lust, und so nahm ich eine Infobroschüre mit nach Hause, die ich den kommenden Tagen von vorne bis hinten durchlas.
Schnell wurde mir klar: Das ist eigentlich genau das Richtige für mich. Doch ich hatte ehrlicherweise auch etwas Bammel. Zwei Jahre sind ein ganz schönes Commitment, noch dazu mit Kosten und Arbeitsaufwand verbunden. Einmal pro Woche Ausbildung, zusätzlich mehrere Intensivwochenenden pro Jahr… das schüchterte mich etwas ein.
Allerdings sah ich auch die tollen Erfahrungen, die ich machen würde; die Dinge, die ich lernen würde; die interessanten Menschen, die ich kennenlernen würde.
Über Weihnachten, daheim bei meinen Eltern, redete ich mit den beiden darüber. Meine Mutter riet mir, noch ein Jahr zu warten, um meine eigene Praxis zu festigen. Ich erinnere mich genau an mein Bauchgefühl in diesem Moment: Nein. Jetzt oder nie.
Ich wusste es noch nicht, aber zwei Jahre später sollte sich dieses Gefühl als absolut richtig erweisen. Doch dazu später mehr 😊
Zurück in Frankfurt meldete ich mich an – und ergatterte den allerletzten Platz. Kurz darauf ging die Ausbildung dann auch schon los. So viel Zeit hatte ich mir mit der Entscheidung gelassen!
Die ersten Erfahrungen
Pünktlich zum allerersten Ausbildungsabend wurde ich krank. Mit Halsschmerzen, einem dicken Schädel und Müdigkeit schleppte ich mich ins Studio, weil ich den ersten Abend auf keinen Fall verpassen wollte.
Trotz meines Zustands kam die besondere Atmosphäre total bei mir an. Der Zauber des Kennenlernrituals war deutlich greifbar, und ich spüre: Hier bin ich richtig. Zwar hatte ich immer noch Bedenken, was mein persönliches Praxislevel anging, aber bereits während dieses ersten Abends wurde ich diesbezüglich ruhiger.
Kurz darauf – immer noch gesundheitlich angeschlagen – war ich bei meinen Eltern zu Besuch und ging in ihrer Gegend zum Yoga. Als ich zurückkam, war meine Mutter (die eher skeptisch war, was die Ausbildung anging) vollends begeistert. Sie meinte: „Du siehst auf einmal so viel gesünder aus als vor der Stunde – wenn es das ist, was Yoga für dich macht, dann bin ich total dafür!“
War die anfängliche Krankheit erst einmal überwunden, kam ich so richtig an. Ich fühlte mich mit dem Ablauf des Ausbildungsabends – Meditation/Pranayama, Theorie, Asanas –, den Inhalten und vor allem den Menschen pudelwohl. Ein Umfeld, was mich zuvor noch verunsichert hatte, wurde schnell zu meiner Komfortzone.
Intensivwochenenden
Dieser positive Eindruck bestätigte sich auf dem ersten Wochenende, das wir gemeinsam im Yogastudio verbrachten. An zwei Tagen tauchten wir besonders tief in spannende Themen wie die hinduistische Mythologie ein und knüpften noch engere Kontakte.
Das eigentliche Abenteuer waren aber die Intensivwochenenden im Ashram. Für viele von uns war es das erste Mal an einem solchen Ort, dementsprechend waren wir noch nicht gewöhnt an die langen Tage, das frühe Aufstehen, den Essensrhythmus und das ausgedehnte Kirtansingen am Abend. Besonders letzteres war für viele von uns erst einmal befremdlich und wurde dann recht schnell zu etwas, worauf man sich freute.
Elf Mädels in einem Zimmer – kann das gut gehen? Allerdings!
Wir hatten in dem Zimmer, das wir während der Ausbildung bis auf eine Ausnahme immer gleich zugeteilt bekamen, einen riesigen Spaß. Abends vorm Schlafengehen tauschten wir Lesestoff aus; in Pausen saßen wir gemeinsam mit neu gefundenen Freundinnen in den Stockbetten zusammen, quatschten, snackten und tranken auch mal einen „hineingeschmuggelten“ Kaffee.
Diese ganz besondere Mischung aus „Klassenfahrt trifft spirituelle Einkehr“ wurde sehr schnell zu etwas, worauf ich mich zu freuen begann. Ja, es war auch anstrengend, aber gleichzeitig tankte ich jedes Mal neue Energie.
Prüfungen
Wer mich kennt, weiß: Prüfungen sind die absolute Hölle für mich. In der Yogalehrerausbildung war das nicht anders. Es ging schon bei der ersten Lehrprobe los: Herzklopfen, schwitzige Hände, Lampenfieber, Versagensangst.
Zum Glück stellte sich jedoch recht schnell heraus, dass ich mich in der Rolle der Lehrerin sehr wohlfühlte und die Nervosität sich verabschiedete, sobald ich vor meiner Gruppe saß. So war die praktische Prüfung für mich auch weitaus weniger nervenaufreibend als die theoretische. Eine Stunde unterrichten, deren genauer Ablauf exakt vorgeschrieben war – die ich also nicht von Grund auf neu planen musste – und die ich in dieser Form auch schon zigmal praktiziert hatte, das war nicht allzu furchteinflößend.
Die Theorie hingegen machte mir eine Heidenangst, und das, obwohl ich fleißig lernte. Ich schrieb Karteikarten, mit denen ich in Bus und Bahn den Stoff wiederholte, hatte aber trotzdem Sorge, nicht gut genug vorbereitet zu sein. Die Vorstellung, drei Stunden lang eine schriftliche Prüfung zu absolvieren, machte mir Bauchschmerzen – mein Glückshamster, der mich schon seit Schulzeiten bei Prüfungen und Vorstellungsgesprächen begleitet, durfte natürlich nicht fehlen und war sowohl bei der Praxis als auch bei der Theorie an meiner Seite.
Wenigstens machte das Lernen Spaß, denn die Themen waren super interessant. Ich beschäftigte mich mit Anatomie, Mythologie, Philosophie, Unterrichtsdidaktik, Yoga für besondere Zielgruppen und vielem mehr. Noch heute staune ich, wie viel Wissen ich während dieser Zeit angehäuft habe. Und tatsächlich konnte ich es auch wiedergeben, denn die Prüfung bestand ich 😊
Danach
Ich schloss die Prüfungen im Januar 2020 ab – kurz danach kam Corona.
Bald darauf wurde mir klar, dass die innere Stimme, die mir geraten hatte, lieber nicht noch ein Jahr zu warten, absolut Recht hatte. Corona breitete sich aus, aufgrund dessen kam ich in Kurzarbeit und hatte auf einmal eine Menge Zeit. Ich hatte also genug Freiraum, um das Ayurveda-Fernstudium zu machen, mit dem ich schon während der Ausbildung geliebäugelt hatte; und um eine Weiterbildung in therapeutischem Schreiben zu absolvieren. Sobald es dann draußen wärmer wurde und man auch draußen unterrichten konnte, unterrichtete ich schon bald vier Kurse pro Woche in einer Frankfurter Seniorenresidenz.
All das wäre nicht möglich gewesen, wenn ich ein Jahr später eingestiegen wäre. Und nicht nur das: Auch die Ausbildung an sich wäre ganz anders abgelaufen – mit weniger Präsenz- und mehr Online-Abenden, ohne das intensive Üben der Korrekturen, ohne die kuscheligen Ashram-Wochenenden zu elft auf einem Zimmer.
Rückblickend bin ich immer noch unglaublich froh über meine Entscheidung, dieser Eingebung zu folgen.
Persönliche Entwicklung
Dass eine Yogalehrerausbildung einen persönlich sehr wachsen lässt, klingt mittlerweile schon wie ein Klischee. Ich kann aber versichern: Es stimmt.
Dadurch, dass ich eine zweijährige Ausbildung machte, war es ein sehr nachhaltiger Prozess. Ich befand mich nicht drei Wochen in einer Art Blase und wurde dann wieder in den Alltag geschleudert, sondern die Ausbildung mit all ihren Lehren und Menschen wurde zum Teil meines Alltags.
Ich etablierte einige neue Gewohnheiten (beispielsweise den Tag mit Yoga beginnen, kein Fleisch mehr essen…), lernte so einiges über mich (ich kann richtig strebsam sein, wenn mein Herz an einem Thema hängt) und knüpfte Freundschaften, die bis heute halten.
Ein weiterer Aspekt, der eine echte Bereicherung für mich war, war die spirituelle Komponente der Ausbildung. Waren Rituale, Kirtan & Co. anfangs noch befremdlich für mich, wurden sie bald zu Dingen, nach denen ich mich sogar sehnte, wenn ich beispielsweise schwierige Phasen durchmachte.
Am wichtigsten ist vermutlich, dass ich eine neue Komfortzone für mich entdeckt habe und mich in der Yogawelt und meiner Rolle als Lehrerin pudelwohl fühle. Ich habe meinen Horizont enorm erweitert und könnte nicht dankbarer dafür sein.
Mein Rat an dich
Wenn du über eine Ausbildung nachdenkst, kann ich dich nur dazu ermuntern, es zu tun. Sogar, wenn du anschließend nicht unterrichten möchtest, wirst du in hohem Maße davon profitieren – versprochen! Sollte es dir irgendwie möglich sein, würde ich dir raten, eine berufsbegleitende Ausbildung zu wählen, statt für einige Wochen ein Intensivtraining an einem exotischen Ort zu machen. Warum? Erstens lernst du in einer längeren Ausbildung logischerweise sehr viel mehr Theorie und gewinnst auch sehr viel mehr Routine im Unterrichten. Zudem baust du, wie oben beschrieben, die neue Tätigkeit so direkt in deinen Alltag ein. Verbringst du beispielsweise drei Wochen auf Bali, können die Inhalte und neuen Gewohnheiten zurück in Deutschland sehr schnell wieder verblassen.
Das ist jedoch nur meine persönliche Sicht. Die Auswahl der richtigen Ausbildung ist sehr individuell, daher mache dich schlau, was am besten zu dir und deinen Bedürfnissen und Möglichkeiten passt.
Ich wünsche dir von Herzen, dass du eine so erfüllende Erfahrung machst, wie ich sie erleben durfte!