Ich könnte diesen Artikel ganz kurz halten und einfach schreiben „Weil es rundum super ist“. Das würde zwar stimmen, aber weder viel Aussagekraft haben, noch all dem gerecht werden, was die Arbeit mit den Senioren so toll macht.
Daher hole ich etwas aus und berichte zunächst, was mich überhaupt auf die Idee gebracht hat, Yoga für Senioren zu unterrichten.
Zunächst einmal hat es mich schon immer fasziniert, mich mit älteren Menschen zu unterhalten. Sie haben Dinge aus Zeiten zu berichten, die wir nie erleben werden und eine beachtliche Lebenserfahrung. Damit sind sie auch fantastische Ratgeber, denn sie blicken aus einer ganz anderen Perspektive auf das, was du ihnen erzählst. Ich habe es immer genossen, mich mit meinen Großeltern zu unterhalten, besonders mit meiner Großmutter hing ich oft stundenlang am Telefon. Als Siebzehnjährige habe ich einmal ein Praktikum in der Stadt gemacht, in der sie wohnten, und während der vier Wochen bei ihnen gewohnt. Andere Teenager hätten wahrscheinlich eine Krise gekriegt, wenn sie einen Monat lang mit zwei Rentnern hätten wohnen müssen, aber ich nicht. Ich freute mich darauf und hatte eine tolle Zeit mit den beiden. Mein Opa war der Ruhepol, meine Oma fürsorgliche Großmutter und beste Freundin in einem.
Als meine Oma starb, zog mein Opa in die Nähe meiner Eltern, wohnte aber noch mehrere Jahre allein. Erst als die Demenz seinen Alltag zu beeinträchtigen begann und er Rund-um-die-Uhr-Betreuung benötigte, zog er in ein Pflegeheim. Dieses Wort ist ja sehr negativ behaftet, aber so empfand ich es nie. Es war ein helles, freundliches, sauberes Gebäude mit gemütlichen Zimmern, sehr netten Mitarbeitern und Aufenthaltsbereichen, wo die Bewohner zusammensitzen und plaudern konnten. Besonders durch diese Bereiche lernten wir automatisch Menschen kennen, wenn wir meinen Opa besuchten; Menschen, auf die wir uns zu freuen begannen. Zu der Zeit nahm Yoga einen immer größeren Platz in meinem Leben ein und jedes Mal, wenn wir bei meinem Opa waren, kamen mir Ideen, wie er und die anderen Bewohner von dieser Praxis profitieren könnten. Schnell wurde mir klar: Wenn ich mit der Yogalehrerausbildung fertig bin, möchte ich mit Senioren arbeiten.
Sobald ich mein Zertifikat in den Händen hielt, schrieb ich verschiedene Senioren-Einrichtungen an und bot an, dort Yoga auf dem Stuhl zu unterrichten. Zu meiner Freude stieß ich auf reges Interesse und mittlerweile möchte ich meine „Gang“ nicht mehr missen. Jedes Mal, wenn ich von meinen Kursen auf dem Heimweg bin, ist meine Stimmung besser als vorher. Hier sind die Top-Gründe, weswegen ich das Unterrichten meiner Senioren so liebe:
Yoga in seiner reinsten Form
Wie heißt es so schön? „Beim Yoga geht es nicht darum, gut in etwas zu sein, sondern darum, sich selbst etwas Gutes zu tun“. Beim Seniorenyoga wird dieser Vorsatz gelebt. Hier steht ganz das Wohlbefinden im Vordergrund und nicht, wer sich am besten verrenken kann oder wer die schönsten Leggings hat. Außerdem leben wir hier die Behauptung, dass jeder Yoga machen kann, ungeachtet des Alters oder der körperlichen Voraussetzungen.
Ein Blick in die Zukunft
Der Gedanke, älter zu werden, jagt vielen Menschen Angst ein.
In meinen Kursen erlebe ich jedoch aktive, gesellige Seniorinnen, die ihren Alltag mit Lebenslust gestalten und in einer ansprechenden Einrichtung leben, die ihnen einiges bietet. Auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass dies nicht repräsentativ für alle älteren Menschen ist, so zeigt es mir, wie es auch sein kann, wenn man Glück hat. Es führt mir vor Augen, dass jeder Lebensabschnitt auch positive Aspekte hat.
Eine andere Sicht auf Dinge
Wie bereits erwähnt empfinde ich den Austausch mit älteren Menschen als unglaublich bereichernd. Es gibt keinen Kurs, vor oder nach dem wir nicht noch ein kleines Pläuschchen halten. So erfahre ich interessante Anekdoten aus dem Leben meiner Yoginis und höre ihre Ansichten zum aktuellen Tagesgeschehen. Gerade während der aktuellen Pandemie ist es spannend, zu sehen, wie die älteren Damen damit umgehen – mit einer bemerkenswerten Ruhe, Gelassenheit und Geduld. Leider verliert man mit wachsendem Alter auch öfter Angehörige oder Freunde. Wenn ich Geschichten von solchen Verlusten höre oder von Gebrechen, die mit dem Alter einhergehen, erscheinen mir meine eigenen Probleme auf einmal viel kleiner.
Liiiiiieeeebeee!!!
Seniorenyoga ist nicht einfach Kurs nach Kurs, bei dem die Schüler anonym kommen und gehen, wie es beispielsweise manchmal im Fitnessstudio der Fall sein mag. Hier ist echte Herzlichkeit im Spiel: Manche Schülerinnen kommen schon etwas früher zum Kurs, um zu plaudern, andere bleiben nach der Stunde noch etwas da. Wenn sie merken, dass die Yoga-Praxis ihnen guttut, sind sie aufrichtig dankbar und begeistert. Die meisten waren noch nie mit Yoga in Berührung und sind dementsprechend neugierig und fasziniert – für mich als Lehrerin gibt’s natürlich kaum was Schöneres.
Könnt ihr euch nun vorstellen, weshalb ich mich vor jedem Kurs tierisch freue? Vielleicht haben die YogalehrerInnen unter euch ja nach der Lektüre dieses Artikels auch Lust bekommen, sich einmal im Unterrichten von Yoga für Senioren zu versuchen? Aber ganz gleich ob Yogalehrer oder nicht: Geht jetzt weg vom Computer oder Smartphone und ruft eure Omis und Opis an, wenn ihr sie noch habt. Die freuen sich – und euch tut es auch gut 😊