Genau wie Neid ist die Langeweile ein Gefühl, das sich keiner großen Beliebtheit erfreut. Empfinden wir Langeweile, wollen wir sie so schnell wie möglich wieder loswerden. Heutzutage bedeutet das meistens, dass wir zum Handy greifen, sinnlos darauf herumsurfen und dabei gar nicht merken, wie wir unsere Zeit vergeuden. Häufig können wir gar nicht glauben, wie lange wir in Instagram & Co. abgetaucht waren, wenn wir schließlich das Handy wieder beiseitelegen.
Viele von uns fühlen sich danach noch frustrierter als vorher, denn sie wissen, dass sie wertvolle Momente einfach vergeudet haben.
Langeweile ist auch ein Grund, weswegen die Lockdowns während der Corona-Pandemie für viele Menschen so unangenehm waren. Kaum waren sie nicht in der Lage, ihren üblichen Tätigkeiten nachzugehen, wussten sie nichts mehr mit sich anzufangen.
Doch ist Langeweile wirklich nur eine Unannehmlichkeit? Oder kann es auch eine Chance sein?
Was ist Langeweile eigentlich?

Eine bekannte Definition von Langeweile stammt von Dr. John Eastwood, Associate Professor im Department of Psychology der York University in Toronto: „Langeweile ist das unangenehme Gefühl, eine zufriedenstellende Aktivität ausführen zu wollen, aber nicht zu können.“
Aus dieser Definition geht schon einiges hervor. Zunächst einmal sticht ins Auge, dass hier direkt das Label „unangenehm“ verwendet wird. Langeweile ist also kein Gefühl, welches wir genießen. Wir sträuben uns dagegen, suchen nach Möglichkeiten, die Langeweile zu beenden.
Zum anderen besteht laut Definition nicht einfach das Bedürfnis nach irgendeiner Aktivität, sondern nach einer „zufriedenstellenden“. Es muss also nicht mal sein, dass uns überhaupt keine Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, wenn uns langweilig ist. Es kann auch sein, dass wir die Möglichkeiten, die wir haben, als nicht zufriedenstellend wahrnehmen. Somit ist das blinde Scrollen auf dem Handy also auch kein gutes Anti-Langeweile-Mittel.
Langeweile – eine Frage des Blickwinkels

Haben wir Langeweile, ist uns das häufig sogar peinlich. Wird man nach Plänen gefragt und hat keine, ist das oft eher unangenehm. Man fühlt sich, als wäre man uninteressant und wisse nichts mit sich anzufangen. Angesehen ist, wer seine Freizeit möglichst effizient gestaltet.
In Italien hingegen gibt es einen Ausdruck namens „Dolce Far Niente“ – das süße Nichtstun.
Schon allein am Adjektiv „süß“ merkt man, dass hier das Fehlen von Plänen komplett anders gewertet wird. Es ist positiv, sogar genussvoll – ein bewusstes Abschalten von der Hektik des Alltags, etwas, das man sich gönnt, und nicht etwas, das man erträgt.
Von Friedrich Nietzsche stammt das Zitat „Langeweile ist die Windstille der Seele“. Klingt das nicht auch schön? Den inneren Aufruhr einmal zur Ruhe kommen zu lassen?
Langeweile als Chance

Fühlst du dich das nächste Mal gelangweilt, versuche einmal, das Gefühl von einer neuen Perspektive zu betrachten. Nimm es als Möglichkeit an, deinen Gedanken Zeit zum Sortieren zu geben. Ein Moment des Innehaltens kann sehr heilsam sein.
Gleichzeitig ist dies auch der ideale Moment, um die Langeweile als Motivation zu betrachten, sich einmal nach erfüllenden Tätigkeiten umzusehen. Wie oft bekommen wir überhaupt Gelegenheit dazu? Allzu häufig sind wir so aus- und manchmal sogar überlastet mit den Pflichten des Alltags, dass uns weder Zeit noch Energie bleibt, um zu hinterfragen, was wir wirklich gern tun, was wir als erfüllend empfinden.
Ich persönlich habe es als Geschenk empfunden, mich während der Pandemie genau das zu fragen, verschiedene Tätigkeiten auszuprobieren, und das ganz ohne Zwang. Es ist ein Luxus, sich fragen zu können „was möchte ich mit meiner Zeit jetzt anstellen?“ anstatt zu denken „was muss ich jetzt noch machen?“.
Achtsamkeit ist inzwischen ein sehr überstrapaziertes Wort, doch sie ist auch im Falle von Langeweile nützlich. Sie kann dir helfen, einen gesunden Umgang mit dem Gefühl zu finden. Wenn dir das nächste Mal langweilig ist, greife nicht sofort zum Handy. Gönne dir die Gelegenheit, das Gefühl der Langeweile bewusst wahrzunehmen und zu hinterfragen. Warum ist dir gerade langweilig? Was würdest du in genau diesem Moment als erfüllend erachten? Oder kommt dir vielleicht auch ein Moment der völligen Ruhe ganz gelegen?
Eine ayurvedische Sichtweise auf Langeweile
Langeweile ist nicht gleich Langeweile. Auch hier gibt es verschiedene Formen, in denen das Gefühl sich manifestieren kann.
Da wäre zum einen das klassische „Herumhängen“: Man fühlt sich lethargisch, antriebslos, hat keine Ahnung, worauf man Lust haben könnte.
Zum anderen gibt es die Unruhe: Man ist hibbelig, ruhelos, es schießen einem zig Gedanken durch den Kopf, aber keinen kann man so richtig festhalten.
Ayurvedisch gesehen hat die Variante des „Herumhängens“ Kapha-Eigenschaften. Das vom Element Erde geprägte Dosha steht ausbalanciert für Stabilität und Ruhe. Ist es aus dem Gleichgewicht geraten, fühlt man sich lethargisch und völlig unmotiviert. Stellst du diesen Zustand bei dir fest, ist aktivierende Bewegung eine gute Lösung. Praktiziere einige Sonnengrüße und lasse die Schwere von dir abfallen. Koche dir anschließend einen heißen Kapha-Tee und nutze ätherische Öle wie Eukalyptus oder Minze.
In Balance beschenkt uns Vata mit Begeisterungsfähigkeit und Kreativität. Unruhe und Rastlosigkeit hingegen sind klassische Symptome von übermäßigem Vata-Dosha. Hier kann eine Meditation helfen. Erscheint dir Stillsitzen gerade als absolutes Gräuel, dann probiere es mit sanfter, fließender Bewegung im Einklang mit deinem Atem. Widme dich einer meditativen Tätigkeit, wie beispielsweise Malen oder auch Ausmalen. Auch für Vata gibt es einen entsprechenden Tee. Öle zum Ausbalancieren sind unter anderem Rose und Lavendel.
Fühlst du das nächste Mal Langeweile, greife erst einmal zu Stift und Papier und lege eine kleine Journaling-Einheit ein. Beschreibe das Gefühl, das du in diesem Moment empfindest. Frage dich: Gibt es Momente, in denen du dir Langeweile sogar wünschst? Wenn du jetzt alles tun könntest, was würdest du wählen und warum? Gibt es eine Tätigkeit, die du genau jetzt ausüben kannst, die einen ähnlichen Effekt auf dich hätte?

Allein der Prozess des Nachdenkens und Aufschreibens kann dich aus deiner Lethargie holen und neue Motivation wecken oder etwas Ruhe in deinen inneren Aufruhr bringen.
Wann war das letzte Mal, dass dir langweilig war? Wie bist du damit umgegangen? Teile es mit mir in den Kommentaren!