Trauer ist ein mächtiges Gefühl. So mächtig, dass man geneigt ist zu denken, Schreiben sei hierbei nichts weiter als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Doch tatsächlich kann es sehr helfen, die mit Trauer oft verbundene Lethargie zu durchbrechen und zu Stift und Papier zu greifen.
Inzwischen gibt es zahlreiche Studien, die belegen, dass das Schreiben über traumatische Ereignisse den Heilungsprozess positiv beeinflussen kann. Und der Verlust einer nahestehenden Person ist definitiv ein traumatisches Ereignis.
Der Trauerprozess
Nach einem Verlust ist man gezwungen, zu lernen, mit einer neuen Situation klarzukommen – einer Situation, die man zunächst rigoros ablehnt. Man will diese neue Realität nicht, lehnt sie ab, wehrt sich dagegen. Mit der Zeit jedoch kommt die Akzeptanz. Ganz allmählich gewöhnt man sich an die neuen Umstände, lernt, mit der Trauer zu leben und kommt so Schritt für Schritt in die Verarbeitung des Verlusts.
Die Rolle des Schreibens dabei
Wie kann Schreiben bei diesem Prozess unterstützen?
Schreiben stellt eine gute Methode zum Reflektieren dar. So kann man die Gefühle erkunden, die mit der Trauer einhergehen. Fühlst du dich eher gelähmt? Traurig? Wütend? Spürst du Reue über etwas? Sobald du dich intensiver mit deinen Emotionen auseinandersetzt und sie erkundest und hinterfragst, kannst du wertvolle Einsichten gewinnen. Diese unterstützen wiederum beim Trauer- und Verarbeitungsprozess.
Dem Papier kannst du alles anvertrauen. Vielleicht gibt es Dinge, die du anderen nicht sagen möchtest, aus Angst vor Verurteilung oder davor, dass sie es weitererzählen könnten. Diese Befürchtungen musst du beim Journaling nicht haben. Hier kannst du ganz offen mit deinen Gefühlen umgehen, ohne Scham oder Ängste.
Allein oder mit anderen
Journaling bei Trauer ist erst einmal eine Methode für dich alleine. Jedoch wird es auch immer öfter in Trauergruppen angewendet. Dabei erhalten die Teilnehmenden die Möglichkeit, das, was sie geschrieben haben, mit anderen zu teilen. Auf diese Weise kann es passieren, dass andere Menschen von ähnlichen Gefühlen und Erlebnissen berichten. Wenn dieser Fall eintritt, entsteht ein Gefühl von Verbundenheit: Man ist nicht alleine mit dem, was man durchmacht! Für viele ist diese Erkenntnis befreiend und bringt sie auf ihrem Weg ein gutes Stück weiter.
Du entscheidest immer selbst, ob du für dich alleine schreibst oder dein Innenleben mit anderen teilen möchtest. Solltest du den Wunsch nach letzterem verspüren, aber keiner Trauer- oder Therapiegruppe beitreten wollen, kannst du Freunde oder Familienmitglieder fragen, ob sie bereit wären, mit dir darüber zu reden.
Methoden zum Journaling bei Trauer
Natürlich kannst du ganz einfach loslegen und dir alles von der Seele schreiben, ohne jegliches Konzept. Das ist einer der Reize am Schreiben – dass es so simpel sein kann!
Für all diejenigen, die ohne konkreten Startpunkt nicht wissen, wie sie beginnen sollen, habe ich hier ein paar Tipps.
Brief an die verstorbene Person
Schreibe einen Brief an die Person, die du verloren hast. Gerne auch mehrere! Teile der Person alles mit, was du fühlst oder schreibe dir Dinge vom Herzen, die du diesem Menschen nicht mehr persönlich mitteilen konntest. Wenn du denkst, dass diese Methode etwas für dich sein könnte, dann lies doch mal diesen Artikel – darin erfährst du noch mehr dazu.
Das Wort „Verlust“
Widme dich ganz dem Wort „Verlust“ und der Frage, was es für dich bedeutet. Vergiss dabei gängige Definitionen aus dem Lexikon, sondern schreibe nur darüber, was das Wort für dich ganz persönlich bedeutet. Welche äußeren Umstände bedeuten „Verlust“, welche Gefühle gehen damit einher? Inwieweit passt diese Vorstellung zu dem, was du tatsächlich gerade empfindest?
Die Aufs und Abs
Beschreibe bei dieser Journaling-Methode, wie du die verschiedenen Phasen des Tages erlebst. Wann empfindest du die Trauer als besonders hart – eher morgens oder abends? Wann geht es dir etwas besser? Welche Tätigkeiten tun dir gut? Dokumentiere deine Aufs und Abs in deinem Tagebuch. Heilung ist keinesfalls ein linearer Prozess! Nur weil es dir einmal gut ging, heißt das nicht, dass es von jetzt an nur noch bergauf geht. Aber vielleicht kannst du identifizieren, in welchen Lebenslagen, zu welchen Zeiten und in welcher Gesellschaft sich die schlimme Zeit etwas leichter anfühlt.
Bedeutende Lektionen
Hast du von der verstorbenen Person etwas Gelernt? Wenn ja, was? Schreibe darüber! Vielleicht hast du Dinge gelernt, die dir bis heute nützlich sind, die vielleicht dein Leben zum Besseren verändert haben. Wertschätze diese Lektionen und die Erinnerung daran. So führst du dir vor Augen, dass etwas von der verstorbenen Person zurückgeblieben ist und dich nach wie vor begleitet.
Ein neues Leben
Die Welt dreht sich weiter wie zuvor, alles geht seinen gewohnten Gang – nur bei dir hat sich das Leben gefühlt auf den Kopf gestellt. Das kann sich verwirrend, unangenehm und unsicher anfühlen. Häufig herrscht dadurch mentales Chaos. Beschreibe deinem Journal dein Leben ohne diese Person und werde dabei so ausführlich, wie du möchtest. Du wirst auf diese Weise deine Gedanken etwas besser ordnen können und vielleicht sogar feststellen, dass manche Dinge sich gar nicht geändert haben – das kann traurig sein, aber auch tröstlich.
Hast du schon Erfahrungen mit Journaling bei Trauer gesammelt? Was hat dir geholfen? Teile es mit mir und allen anderen, die davon profitieren könnten!