So, ihr Lieben, wir sind am Ende unserer kleinen Artikelserie über Briefe als Form des therapeutischen Schreibens angelangt, und dieser Teil kann etwas knifflig werden. In der Miniserie haben wir nun schon Briefe an unser jüngeres Ich und an verstorbene Personen abgedeckt. In diesem letzten Teil der Serie möchte ich gerne über Briefe reden, die an Menschen gerichtet, die noch am Leben sind. Warum ist das knifflig? Lass uns erst einmal darüber reden, warum dies überhaupt eine Schreibtechnik ist, die es wert ist, ausprobiert zu werden. Warum solltest du Briefe an eine lebende Person schreiben, ohne sie abzusenden, und wie kann dir das helfen?
Es gibt Menschen in unseren Leben, die uns einschüchtern. Ein Chef, ein Schwarm, eine dominante Mutter… selbst, wenn du eine Person bist, die es normalerweise nicht schwierig findet, für sich einzustehen, könntest du in Gegenwart mancher Menschen etwas reservierter sein. Wenn wir Beziehungen haben – mit Familienmitgliedern, Arbeitskollegen, einem Partner, Freunden – in denen wir uns fühlen, als müssten wir zurückhalten, was wir wirklich denken, kann das früher oder später in Frustration und Ärger enden. Wenn du aber wirklich nicht offen reden kannst, oder davon überzeug bist, dass das nicht geht, wird es dir sehr helfen, all das dem Papier anzuvertrauen.
Hier sind ein paar Situationen, in denen du einen Brief als Form des therapeutischen Schreibens verfassen könntest, ohne ihn abzusenden
- Du hast einen Chef, der dir das Leben schwer macht, aber du fürchtest, du könntest noch mehr Probleme bekommen, wenn du ihn darauf ansprichst.
- Ein Familienmitglied oder deine bessere Hälfte nervt dich, aber du willst die Atmosphäre nicht vergiften
- Du hast das Gefühl, dass du einer Person, mit der du keinen Kontakt mehr hast, noch Dinge sagen möchtest
- Du vermisst jemanden
- Deine Gefühle für jemanden haben sich vertieft, und du traust dich (noch) nicht, es zu sagen
Die Vorteile
- Du kannst brutal ehrlich sein, weil niemand deinen Brief lesen wird
- Du vermeidest einen Konflikt
- Du wirst ruhiger sein, weil du mal alles losgeworden bist
Stell dir vor: Das nächste Mal, wenn dein Chef verrücktspielt, kannst du ganz ruhig bleiben, in der Gewissheit, dass du später bei deinem Tagebuch Dampf ablassen wirst. Wenn du versuchst, mit jemandem zu reden und immer wieder unterbrochen wirst, kannst du dir später alles von der Seele schreiben.

Der knifflige Teil
In Teil 1 dieser Serie ging es um ungesendete Briefe an dein jüngeres Ich – diese Briefe sind nur für deine eigenen Augen bestimmt.
In Teil 2 ging es um ungesendete Briefe an eine verstorbene Person – die Person, an die der Brief gerichtet ist, hat nicht mehr die Gelegenheit, ihn zu lesen.
In diesem Teil geht es um ungesendete Briefe an eine lebende Person. Eine Person, die nicht du bist. Wenn du dich dazu entschließt, diese Technik des therapeutischen Schreibens anzuwenden und alles zu Papier bringst, was dich beschäftigt, könnte es sein, dass du dich so erleichtert und gestärkt fühlst, dass du denkst „Das war super, aber nun möchte ich, dass die Person es auch wirklich liest!“. Halte einen Moment inne, bevor du den Brief tatsächlich absendest! Häufig kann es gut sein, den anderen wissen zu lassen, was in dir vorgeht. In anderen Fällen allerdings kann es kontraproduktiv sein. Schlaf einmal darüber und wenn du dann immer noch das Gefühl hast, den Brief abschicken zu wollen, kann es eine gute Idee sein, deiner Intuition zu folgen. Lies ihn vorher aber noch einmal durch und schau, ob du eventuell etwas Schärfe herausnehmen möchtest – du willst ja keine Brücken abbrechen.
So geht’s
Führe diese Methode des therapeutischen Schreibens durch, wann immer dir danach ist. Du kannst dir natürlich gerne ausgiebig Zeit dafür nehmen, dich einrichten, es dir gemütlich machen, aber wenn du gerade stinkwütend aus dem Büro kommst oder nach einem Streit mit deinem Partner gerade tränenüberströmt die Tür hinter ihm zugeknallt hast, kannst du genauso loslegen. Diese Methode hat den großen Vorteil, dass du so richtig Dampf ablassen kannst, ohne fürchten zu müssen, dass dein Gegenüber verletzt sein könnte. Lass einfach alles raus – den Schmerz, die Wut, die Trauer, was auch immer dich gerade umtreibt. Achte nicht auf deinen Schreibstil, deine Formulierungen oder deine Handschrift, denn niemand wird lesen, was du schreibst. Versuche, den Stift möglichst nicht abzusetzen. Es fällt dir schwer, einfach ins Schreiben zu kommen? Dann probiere es mit den folgenden Journal Prompts!
7 Journal Prompts als Inspiration für deinen Brief
- Wenn du eine Person gewählt hast, an die du schreiben möchtest: Warum hast du gerade diese Person gewählt?
- Wie sind deine Gefühle dieser Person gegenüber?
- Wie verhältst du dich, wenn du mit dieser Person zusammen bist?
- Hast du das Gefühl, du kannst mit dieser Person offen reden? Warum? Warum nicht?
- Was würdest du dieser Person gerne sagen? Warum?
- Was könnte anders sein, wenn diese Person wüsste, wie du fühlst und was du denkst?
- Auf welche Weise wäre eure Beziehung anders?
Die Miniserie zum Thema „Nicht verschickte Briefe“ ist beendet! Lies hier die ersten beiden Teile, wenn du es noch nicht getan hast.
Hast du eine der Schreibtechniken ausprobiert? Berichte mir gerne davon!