Nicht verschickte Briefe Teil 2: Briefe an eine verstorbene Person

Wenn wir trauern, ist therapeutisches Schreiben – genau wie in anderen Lebenskrisen – ein wunderbares Werkzeug, um mit der seelischen Belastung umzugehen. Während Menschen, denen wir uns anvertrauen, eventuell sagen könnten „Du musst langsam mal nach vorn schauen, es ist schon einige Zeit her“, ist Papier geduldig. Es setzt dir keine Deadline und beschwert sich nicht, wenn du dich wiederholst. Es unterbricht dich nicht oder versucht, dich davon zu überzeugen, dass andere (eigene?) Verluste sehr viel schlimmer sind. Es ist nicht peinlich berührt, wenn du vor lauter Trauer völlig die Fassung verlierst. Zugegeben, es nimmt dich auch nicht tröstend in den Arm. Aber wenn du dich einfach nur danach sehnst, etwas Ballast abzuwerfen, dann ist es eine sehr gute Idee, zu Stift und Papier zu greifen. Therapeutisches Schreiben bei Trauer kann sehr erleichternd wirken.

Es gibt ein sehr schönes Zitat, das lautet: „Trauer ist nur Liebe, die nirgendwo hinkann.“ Wenn eine geliebte Person stirbt, bleibt man häufig rat- und rastlos zurück, weiß nicht, wohin mit sich. Häufig ertappt man sich dabei, wie man der verstorbenen Person Dinge erzählen möchte, Angelegenheiten mit ihr besprechen, oder ihren Rat einholen möchte.

Manchmal hadern wir aber auch mit dem Tod einer Person, weil wir denken, dass etwas ungesagt geblieben ist. Dieses Gefühl kann sehr schnell zu Reue werden, und dann wird es erst richtig unangenehm.

Noch unangenehmer – fast unerträglich – wird es, wenn man von vornherein Reue im Zusammenhang mit dem Todesfall empfindet, beispielsweise: Hätte ich mich besser kümmern oder mehr tun sollen? Habe ich die letzte gemeinsame Zeit überhaupt gut genug genutzt? Hat er oder sie sich von mir im Stich gelassen gefühlt? Solche Gedanken liegen sehr schwer auf der Seele. Gib ein bisschen von dem Gewicht an dein Tagebuch ab!

Warum einen Brief schreiben?

Natürlich kann man auch bei Trauer das therapeutische Schreiben auf vielfältige Art und Weise für sich nutzen. Einen Brief an die verstorbene Person zu schreiben, ist aber eine besonders tiefgreifende Methode:

  • Man tritt „direkt“ in Kontakt mit dem verstorbenen Menschen
  • Man hat somit das Gefühl, nicht nur für sich zu schreiben
  • Man kann ungesagte Dinge aussprechen
  • Man kann um Vergebung bitten

Die eigene Einstellung zum Tod spielt natürlich auch eine Rolle. Woran glaubst du? An Himmel und Hölle? An Reinkarnation? An etwas ganz anderes? Davon hängt ab, ob du daran glaubst, dass deine Zeilen ihren Empfänger noch in irgendeiner Form erreichen. Doch selbst, wenn du nicht daran glaubst, kann Journaling bei Trauer befreiend wirken.

Bisher ging es nur um den Fall, dass ein geliebter Mensch stirbt. Was aber, wenn jemand von uns geht, der uns negativ beeinflusst hat? Dann bleibt vielleicht ebenfalls einiges ungesagt. Vielleicht hast du dich nie getraut, vor dieser Person für dich einzustehen? Vielleicht möchtest du dich offiziell und endgültig von dieser Person lossagen? Einen Schlussstrich ziehen, einen Befreiungsschlag ausführen? Auch hier kann ein Brief helfen und sehr erleichternd wirken, selbst mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass die betreffende Person den Brief nie lesen wird.

So geht’s

Nutze diese Methode des therapeutischen Schreibens wann immer du eine geliebte Person vermisst, die nicht mehr unter uns ist; oder wenn du spürst, dass der negative Einfluss einer verstorbenen Person immer noch nicht abgeschüttelt ist. Versuche, ganz mit der betreffenden Person allein zu sein. Vielleicht möchtest du während des Schreibprozesses ein Foto von ihm oder ihr aufstellen, oder dich auf andere Weise an den Menschen erinnern. Beginne den Brief so, wie du ihn beginnen würdest, wenn die Person noch leben würde. Erzähle dann, was du gern erzählen würdest, schildere, warum du diese Person vermisst, oder erkläre, warum du dich jetzt endgültig von dem negativen Einfluss frei machen wirst.

Gerade wenn man trauert, kann man sich oft wie gelähmt fühlen. Dann ist es sehr schwierig, über die Anrede hinauszukommen. Für diesen Fall kannst du die folgenden zehn Journal Prompts nutzen:

10 Journal Prompts als Inspiration für deinen Brief

  • Beschreibe die verstorbene Person. Was hat sie dir bedeutet und welchen Stellenwert hat sie in deinem Leben eingenommen?
  • Wie hast du dich gefühlt, als diese Person starb?
  • Was ist jetzt anders? Was vermisst du?
  • Gibt es etwas, das du dieser Person gern sagen würdest?
  • Welche Version deiner Selbst warst du, wenn du mit dieser Person zusammen warst?
  • In welchen Situationen fehlt diese Person dir besonders?
  • Was fühlst du, wenn du dich an diese Person erinnerst? Sind diese Gefühle angenehm oder eher unangenehm?
  • Wenn sie unangenehm sind – warum, denkst du, ist das so?
  • Beschreibe der Person deinen Tag.
  • Bitte die Person in einer Angelegenheit um Rat. Erkläre auch, warum du dich dafür gerade an sie wendest.

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