Obwohl Yoga mittlerweile im Mainstream angekommen ist, rümpfen einige immer noch die Nase bei dem Wort. Sie haben eine falsche, klischeehafte Vorstellung von Yogis und der Praxis an sich und wollen daher nichts damit zu tun haben. Wiederum andere haben Interesse am Yoga und würden es gerne einmal ausprobieren, aber sie trauen sich nicht – ebenfalls aufgrund falscher Vorstellungen und Befürchtungen. Zeit, mit den größten Yoga-Mythen aufzuräumen!
1. „Ich bin nicht gelenkig genug, um Yoga zu machen.“
Der Klassiker zuerst. Ich glaube, jeder, der Yoga praktiziert und jemandem davon erzählt, hat schon mal zu hören bekommen „Ich würde es ja auch gern mal ausprobieren, aber ich bin einfach nicht gelenkig genug.“ Fühlt sich jemand, der das gerade liest, ertappt? Dann habe ich eine kurze Frage: Würdet ihr je sagen, „ich bin zu hungrig, um zu essen“ oder „ich würde mich ja waschen, aber ich bin zu schmutzig“? Lasst mich eines klarstellen: Der Gedanke, nicht gelenkig genug für Yoga zu sein, wurzelt allein in der Angst, nicht gut genug zu sein. Wenn jemand diese Bedenken äußert, heißt das übersetzt: „Ich will nicht die einzige Person in der Gruppe sein, die in der Vorwärtsbeuge nicht ihre Zehen erreicht.“
Newsflash: Keinen kümmert’s.
Auf der Matte sollte es keinen Konkurrenzkampf geben, man sollte überhaupt ganz bei sich sein und nicht darauf achten, was die anderen machen. Natürlich funktioniert das nicht immer so, aber generell sollte der Yogaraum konkurrenzfreie Zone sein. Gelenkigkeit ist ein Nebenprodukt von Yoga, keine Voraussetzung! Tipp: Beginne mit einem Kurs für absolute Anfänger, nicht in einer offenen Stunde für alle Niveaus. Hier werden höchstwahrscheinlich alle auf deinem Level sein, sodass du dich entspannen kannst.
2. „Ich muss sportlich sein, um Yoga zu machen.“
Nummer 2 ist ein enger Verwandter von Nummer 1. Häufig wird auch das Gegenteil behauptet, nämlich, dass Yoga rein gar nichts mit Sport zu tun hat und nur Entspannung ist. Wer das erzählt, war wahrscheinlich bisher nur im Yin Yoga. Wer befürchtet, zu unsportlich zu sein, war vielleicht als blutiger Anfänger in einer fordernden Ashtanga-Stunde. Beide können aufatmen: es gibt Yoga für Leute, die weder besonders sportlich noch beweglich sind (fragt mal die 90-jährigen in meinem Kurs!), aber auch perfekte Methoden, um sich so richtig auszupowern und die Matte verschwitzt und zufrieden wieder zu verlassen.
3. „Ich verrate meine Religion, wenn ich mit Yoga anfange.“
Es stimmt, dass Yoga mit dem Hinduismus verbunden ist. Es ist aber kein Teil davon. Auch Lehren aus dem Buddhismus sind in der Yogawelt weit verbreitet. Aber auch hiervon ist Yoga kein Teil. Yoga ist ein Philosophiesystem, keine Religion. Du wirst nichts und niemanden anbeten müssen oder Ähnliches. Wenn du dich dennoch unwohl mit der spirituellen Seite des Yoga fühlst, suche dir ein Studio, welches bewusst eher auf den körperlichen Aspekt fokussiert ist.
4. „Yoga ist nur etwas für bärtige alte Inder…“
5. „… oder für schlanke, hübsche Mädels auf Instagram.“
Zwischen diesen beiden Extremen liegt eine ganz schön große Bandbreite, oder? Ja, früher war Yoga eine Männerdomäne, Frauen durften lange Zeit nicht einmal in Ashrams. Besucht man in der heutigen westlichen Welt ein Yogastudio, sieht man, dass sich das Blatt deutlich gewendet hat. Instagram ist auch ein Beispiel dafür: Es ist voll von biegsamen jungen Frauen. Das soll aber nicht heißen, dass du diesem Klischee entsprechen musst, um selbst zu praktizieren. Lasst mich an dieser Stelle Krishnamacharya zitieren, einen der einflussreichsten Yogalehrer des 20. Jahrhunderts: „Jeder Mensch kann Yoga üben, solange er atmen kann.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
6. „Alle Yogis sind merkwürdige Müslitypen.“
Yogis sind so vielfältig wie die Praxis selbst. Daher sind mit Sicherheit auch „merkwürdige Müslitypen“ darunter. Aber auch junge Frauen mit schicken Leggings, 96-jährige bodenständige Senioren, Fitnessfans mit Handstand-Faible und viele viele mehr. Woher das Klischee kommt, kann ich mir denken: Yogis ist die Umwelt wichtig, und auch die eigene Gesundheit. Daher leben sie oft vegetarisch oder vegan, greifen zu Bio-Produkten oder verzichten auf Alkohol – Dinge, die in einer auf Vergnügen ausgerichteten Gesellschaft oft als seltsam wahrgenommen werden. Angesichts der Klimakrise werden hoffentlich auch Gewohnheiten wie Mülltrennen oder Reduktion des Fleischkonsums bald normal. Vielleicht verändert das dann auch die Sicht auf die Yogis.
7. „Wenn ich Yoga machen will, muss ich aufhören, Fleisch zu essen.“
Wenn man einmal von Themen wie Ethik oder Umweltschutz absieht, um die es hier gerade nicht geht, lautet die Antwort: „Nein, musst du nicht.“
Es stimmt jedoch, dass das oberste Gebot im Yoga „Ahimsa“ ist, Sanskrit für „Gewaltlosigkeit“. Dem widerspricht es natürlich, Tiere nur zum Genuss zu töten. Aber: Yogas Schwesternwissenschaft, die Heilkunst Ayurveda, ist weder rein vegetarisch noch vegan ausgerichtet. Von Fleisch wird zwar weitestgehend abgeraten, es wird aber auch anerkannt, dass gewisse Konditionen, Krankheiten oder spezielle Bedürfnisse (gesundheitliche Bedürfnisse, kein Heißhunger auf eine Currywurst!) für den Konsum von Fleisch sprechen können. Würde beispielsweise eine Situation eintreten, in der es für deine Gesundheit wichtig wäre, Fleisch zu essen, würdest du dir selbst gegenüber Ahimsa missachten, wenn du es dir dann versagst. Mir ist bewusst, dass heutzutage enorm viele Theorien kursieren – einige sagen, solche Konditionen gäbe es gar nicht, wiederum andere thematisieren Nährstoffmangel. Hierzu sei gesagt: Ich bin keine Medizinerin oder Ernährungsberaterin, daher möchte ich hierzu kein Statement abgeben. Fakt ist aber, dass für einen Einstieg in die Yogapraxis erst einmal gar keine Gewohnheitsänderungen notwendig sind, weder im Alltag noch auf dem Speiseplan. Wenn du tiefer in die Praxis und in die damit verbundene Philosophie eintauchst, kommt der Wunsch danach oft ganz allein – so war es zumindest bei mir.
8. „Ich habe keine Zeit zum Üben.“
Ja, wir sind alle super-beschäftigt. Ein altes Zen-Sprichwort besagt „Du solltest täglich 20 Minuten meditieren, es sei denn, du bist sehr beschäftigt – dann solltest du eine Stunde meditieren.“
Was das heißt? Gerade wenn du gestresst bist, tun Yoga und Meditation besonders gut. Schon zehn Minuten alle paar Tage können viel bringen. Und mal ehrlich, so viel Zeit haben wir doch alle, oder?
9. „In Ashrams geht’s zu wie in Sekten.“
Ich gestehe, ich kann nachvollziehen, woher dieser Mythos kommt. Rituale, Mantrasingen, das Konzept eines Altars… all das kann abschreckend wirken. Auch das Wort „Guru“ lässt bei vielen die Alarmglocken läuten. Auf Sanskrit bedeutet es aber nicht mehr als „spiritueller Lehrer“ – harmlos, oder? Zudem basieren Sekten auf Gehorsam und Zwang. Nichts von beidem existiert in der Yogawelt. Du bist stets frei, deine Meinung zu äußern, ohne Angst vor Bestrafungen haben zu müssen. Selbst wenn du einen Kurs vorzeitig verlassen möchtest – solange du andere nicht dabei störst, hat keiner was dagegen. Du kannst also ganz beruhigt sein.
10. „Yoga ist dogmatisch.“
Im Yoga gibt es zahlreiche Tipps, Empfehlungen und Lehren, die oft als starre Regeln empfunden werden. Hierher rührt wahrscheinlich Mythos Nummer 10. Das Schöne am Yoga ist aber, dass es keine Einheitslösung für alle gibt. Stattdessen ist man zur Achtsamkeit eingeladen, zum Ausprobieren und Spüren, was einem ganz persönlich guttut. Ziemlich undogmatisch, oder? Außerdem: Wenn du eine Veränderung in deinem Körper oder deinem Leben anstrebst, sollte dir eigentlich klar sein, dass du nicht exakt so weitermachen kannst wie bisher. Du würdest ja auch nicht erwarten, abzunehmen, ein Instrument zu lernen oder in einer Sportart gut zu werden, ohne ein paar neue Gewohnheiten aufzunehmen oder alte abzulegen. Sei also offen für die Empfehlungen deiner Lehrer und probiere aus, welche für dich persönlich sinnvoll sind.
Kennt ihr noch weitere Yoga-Mythen? Vielleicht sogar welche, die ihr mal selbst hattet, oder die euch sogar (zeitweise) davon abgehalten haben, Yoga selbst einmal auszuprobieren? Teilt gerne eure Erfahrungen mit mir!