„Beim Yoga geht es nicht darum, deine Zehen berühren zu können. Es geht darum, was du auf dem Weg nach unten lernst.“
Dieses Zitat von Judith Hanson Lasater hat in der Yogawelt während der letzten Jahre ziemliche Berühmtheit erlangt. Es ist das Mantra aller nicht-gelenkigen Yogis und Yoginis, die sich wie ein Backstein fühlen zwischen ihren super-biegsamen Mit-Yogis. Warum hat dieses Zitat so an Bedeutung gewonnen? Gerade im Westen geht es beim Yoga sehr um den physischen Aspekt der Praxis. Sehr oft sehen es Leute als Sport, als Mittel, um fit zu bleiben.
Während eine beständige Asanapraxis tatsächlich physische Fitness und Wohlbefinden unterstützen kann, ist dies nicht der einzige Aspekt von Yoga. Meditation, Pranayama, Mythologie – viele Menschen fühlen sich heutzutage unwohl mit der spirituelleren Seite der Praxis. Aber beim „tieferen“ Aspekt geht es nicht nur um Gottheiten, Mantras und Rituale. Es geht vor allem um Werkzeuge, um das alltägliche Leben schöner zu machen.
Seitdem ich eine Neu-Yogini war, die sich in ihrem ersten Kurs schrecklich befangen fühlte, sind ein paar Jahre vergangen. In diesen Jahren konnte ich einige Dinge lernen. Hier ist eine kleine Liste.
Keinen kümmert’s, ob du sportlich bist oder nicht
Ich war nie gut im Sportunterricht in der Schule. Ich mochte die Sportarten nicht, die wir dort übten, und auch nicht die Art, wie sie uns nähergebracht wurden. Dies führte dazu, dass ich dachte, ich sei einfach „nicht sportlich genug“ für jede Art von körperlicher Aktivität – und das, obwohl ich als Kind immer getanzt habe. Trotz meiner Tanzstunden war ich nie wirklich gelenkig, weswegen ich Yoga eher zögerlich gegenüberstand. Auch als ich mit der Yogalehrerausbildung begann, war ich noch sehr befangen, aber dann stellte ich fest: keinen kümmert’s. Die anderen Yogis und Yoginis um mich herum waren viel zu sehr damit beschäftigt, alles um sie herum auszublenden und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Anfänger tendieren dazu, ständig Seitenblicke auf ihre Mitschüler zu werfen, um zu schauen, ob der Nachbar vielleicht mehr kann als man selbst, ob er oder sie die Zehen berühren kann, etc. Allerdings sorgt man sich immer weniger darum, je mehr Erfahrung man gewinnt. Das gilt nicht nur für Flexibilität, sondern auch für fortgeschrittenere Positionen wie Armbalancen. Du schaffst diese Asanas noch nicht? Niemand wird sich über dich lustig machen.
Spiritualität ist nicht angsteinflößend
Wenn “Spiritualität” für dich Ouija Boards und okkultes Zeug für dich bedeutet, dann habe ich Neuigkeiten – darum geht es überhaupt nicht. Es geht nicht mal um Religion. Für mich geht es vorrangig um Philosophie. Es geht darum, einen Sinn in Dingen zu finden, alltäglichen Dingen eine Bedeutung zu geben und tieferes Verständnis zu erlangen. Es gibt inspirierende mythologische Geschichten, wunderschöne Rituale und wertvolle Weisheiten. Hab keine Angst, die spirituellere Seite von Yoga auszuprobieren! Es wird deine Zeit auf der Matte und darüber hinaus sicher bereichern.
Unterschätze nie die Verbindung zwischen Körper und Geist
Was wie ein Yogi-Klischee klingt, ist tatsächlich sehr wahr. Ich fand es faszinierend, eine engere Verbindung zu meinem Körper zu entwickeln. Diese Verbindung befähigte mich, meinem Körper besser zuzuhören, seine Signale besser lesen zu können. Wenn man Yoga praktiziert, lernt man, zu „fühlen“: Wie fühlt sich diese Bewegung an? Wie fühlt es sich an, eine neue Position auszuprobieren? Wie fühlt es sich an, an die eigenen Grenzen zu kommen? Wie fühlt es sich an, auf verschiedene Art und Weise zu atmen? Wie fühlt man sich vor und nach bestimmten Asanas, Meditationen oder Pranayamas? Anstatt sich ständig darüber zu beschweren, wie der Körper sich anfühlt, lernt man hier, zu beobachten und Bedürfnisse zu entdecken, die der Körper einem zu vermitteln versucht. Für mich wird die Verbindung zwischen Körper und Geist besonders sichtbar, wenn es ums Dehnen geht. Raum im Körper zu schaffen schafft gleichzeitig auch Raum im Geist. Als mein Großvater starb und mein Geist sich vor Trauer ganz eng anfühlte, war es für mich beispielsweise sehr viel schwerer, Asanas zu üben, die ich ansonsten mit Leichtigkeit schaffe.
“Yoga-Freundschaften” sind anders
Smalltalk? Vergiss es! In Freundschaften zwischen Yogis geht es tiefgründig zu. Kein Thema ist tabu. Ganz gleich, ob du über Mantras, Rituale, Kundalini-Erlebnisse oder Sanskrit reden möchtest – niemand wird denken, dass du seltsam bist! Yogis sind nicht nur an vielen Dingen interessiert, die Menschen außerhalb der Yogaszene nicht mal kennen, sie sind außerdem sehr tolerant. Urteilen findet hier eher nicht statt, wobei es natürlich auch hier immer schwarze Schafe gibt. Etwas anderes, was ich total schön finde, ist, dass fast jeder durch irgendeine Art von Krise zum Yoga kam, sei es eine körperliche oder emotionale Krise. Daher ist es absolut normal, über dein Trauma, deinen Schmerz, deine Probleme zu sprechen – kein Grund, irgendetwas zu verstecken! Die Frage „Wie geht es dir?“ ist tatsächlich ernst gemeint. Während andere sich häufig unwohl fühlen, wenn du mit etwas anderem als „danke, gut“ antwortest, werden deine Yogifreunde dir zuhören, wenn du erzählst, wie du am Tiefpunkt warst und dich aufgerappelt hast, dir Ratschläge geben und ihre eigenen Erfahrungen mit dir teilen. Der negative Punkt? Unterhaltungen mit Nicht-Yogis über das Wetter werden sich eventuell etwas oberflächlich anfühlen, wenn du erst einmal eine Gruppe von Yogifreunden hast.
Lernen macht tatsächlich Spaß
Oh Gott, wie ich es gehasst habe, für die Schule zu lernen! Es war einfach nur lästig und fühlte sich an wie Zeitverschwendung. Das Problem war, dass ich das meiste, was ich lernen musste, mir völlig sinnlos erschien. Die Frage „warum lerne ich das, wofür brauche ich das?“ konnte eigentlich nie zufriedenstellend beantwortet werden. Ich musste mich immer zum Lernen zwingen, nie hatte ich das Gefühl, mehr Wissen ansammeln zu wollen. Das führte dazu, dass ich dachte, ich sei faul. Dieser Glaube führte wiederum dazu, dass ich zögerlich war, neue Dinge auszuprobieren. Da ich ja dachte, ich sei faul, dachte ich auch, dass ich, wenn ich etwas Neues starten würde, schnell Interesse verlieren und nicht am Ball bleiben würde.
Einmal, als ich zum Yogaunterricht kam, sah ich das Poster an der Eingangstür, das für die zweijährige Yogalehrerausbildung warb und dachte „Wer zur Hölle ist so konsequent? Wer ist diszipliniert genug, um jeden Mittwoch der Ausbildung zu widmen, und das zwei verdammte Jahre lang?“ Ich hatte diese Zweifel bezüglich Faulsein und mangelnder Disziplin auch noch, als ich mich endlich anmeldete – ich hatte mir die Entscheidung so schwer gemacht, dass ich schließlich den allerletzten Platz in der Gruppe bekam, der noch frei war – aber es stellte sich heraus, dass ich gar nicht so faul war, wenn mich ein Thema wirklich interessierte. Die Themen, die wir in der Yogalehrerausbildung behandelten, waren faszinierend für mich: Indische Mythologie, Yogaphilosophie, Anatomie und die physischen Aspekte der Asanas, wie man sie unterrichtet und für bestimmte Zielgruppen zugänglich macht. Selbst in meiner Freizeit schnappte ich mir aus eigenem Antrieb meine Bücher, einfach weil ich mehr über all das erfahren wollte. Und als es dann Zeit für die Abschlussprüfungen war, lernte ich fleißig – weil ich es wollte. Festzustellen, dass ich eigentlich gar nicht so faul bin, wenn mir etwas wichtig ist, war ein Augenöffner für mich. Nun war ich selbstbewusst genug zu glauben, dass ich alles schaffen kann, was ich mir vornehme, solange es für mich irgendeinen Sinn ergibt.
Jetzt bist du dran! Was hast DU von deiner Yogapraxis gelernt? Oder, wenn du noch in den Startlöchern stehst, was hoffst du zu lernen, wenn du schließlich anfängst? Teile es mit mir in den Kommentaren!
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