Achtsamkeit auf dem Wasser

Die Magie des Segelns

Mein Lieblingszitat lautet “Es gibt Orte, die du nur auf dem Seeweg erreichen kannst. Und es gibt Orte, die du nur erreichen kannst, wenn du auf See bist“ von Jesse Martin. Jesse Martin ist ein Weltumsegler, der einmal den Rekord brach, die jüngste Person zu sein, die allein um die Welt segelte.

Ich liebe dieses Zitat so sehr, weil ich an diesen Orten war, die man nur erreichen kann, indem man auf See ist, und sie waren atemberaubend schön. Da ich auf diesem Blog über Yoga, Achtsamkeit & Co. Schreibe, ist dir vermutlich schon klar, dass die Rede nicht von schönen Stränden ist. Na gut, nicht nur 😊

Die Faszination des Segelns

Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen ist, dass ich immer Leute mit Booten beneidet habe, wenn ich mit meinen Eltern im Urlaub war. Wann immer wir nah am Wasser Ferien machten, gingen wir nach dem Abendessen an der Strandpromenade spazieren. Hand in Hand mit meiner Mutter oder meinem Vater, bewunderte ich die Marinas: Die Atmosphäre ist so besonders, ich kann sie mit nichts anderem vergleichen. Wunderschöne Boote, die sanft in der Brise schaukeln, Kerzenlicht, leise Unterhaltungen und Gelächter. Wenn ich die Menschen sah, die in ihren Cockpits saßen und ein leckeres Essen mit einer Flasche Wein genossen, während sie über den Tag sprachen, wünschte ich mir, eine von ihnen zu sein. Ich wollte ein Teil dieser Welt sein, die so friedlich wirkte, aber dennoch nach Abenteuer roch.

Die erste Woche auf einem Segelboot

Während ich älter wurde, verschwand dieser Wunsch nicht. Im Gegenteil, er begleitete mich stets und wuchs über die Jahre noch an. Ich weiß nicht, warum es so lang dauerte, aber ich war 25, als ich das erste Mal eine ganze Woche auf einem Segelboot verbrachte – und ich liebte es! Viele sahen mich schockiert an, wenn ich berichtete, dass ich vorhatte, die wertvollste Zeit des Jahres auf einem kleinen Boot zu verbringen, auf engem Raum mit acht anderen Menschen, die ich vorher noch nie getroffen hatte. Mir wurden viele Fragen gestellt: Was, wenn ihr nicht klarkommt? Was, wenn du seekrank wirst? Willst du wirklich während deines Urlaubs kochen und Geschirr spülen? Glaubst du wirklich, du hältst es eine ganze Woche ohne richtiges Badezimmer und heiße Dusche aus? Was, wenn es einen Sturm gibt? Und so weiter und so weiter…

Gute Fragen, muss ich zugeben. Die erste davon beschäftigte mich auch ziemlich. Aber niemand aus meinem Freundeskreis oder meiner Familie ist für diese Art Urlaub zu haben (falls es aus den Fragen noch nicht ersichtlich war), daher war eine Gruppenreise die ideale Wahl für mich. Da fast jeder dort alleine reiste, gab es keine Grüppchen, die andere ausschlossen. Wenn man sich dafür entscheidet, eine Woche mit Fremden auf einem Boot auf See zu verbringen, musst du einfach eine offene, freundliche Person sein, schätze ich.

Wie steigern Segeln und Zeit auf dem Wasser die Achtsamkeit?

Dieser erste Segeltörn war nicht mein letzter. Nicht einmal sechs Monate später folgte der zweite und der dritte war danach selbstverständlich. Bis zum vierten dauerte es etwas länger, aber es war dieser Urlaub, in dem ich die Magie des Segelns am allermeisten spürte. Also, was ist nun diese Magie für mich? Und was ist mit den tollen Orten, an die ich gelangte?

Ruhe

Nun, für mich ist es die ganze Atmosphäre und das Gefühl, das Hand in Hand damit geht. Ich kann so gestresst sein, wie ein Mensch nur sein kann, aber sobald ich ein Boot betrete, fühle ich mich besser. Das ist etwas, das ich nicht wirklich erklären kann, aber vielleicht hat es etwas zu tun mit der engen Beziehung zur Natur, die ich während anderer Ferien nie auf diese Art spürte. Es gibt kaum Infrastruktur, keinen Handyempfang, kein Internet (hurra!). Man schläft nicht in Hotels (auch wenn ich Hotels ebenfalls toll finde), sondern in einsamen Buchten. Um den Süßwasservorrat zu schonen, wäscht man das Geschirr – und sich selbst! – im Meer, bevor man sich kurz abspült, um das Salz loszuwerden. Es fühlt sich sehr ursprünglich an.

Aufrichtige Verbindungen

Auch mit den Menschen kommt man auf andere Weise zusammen. Es gibt keine Ablenkungen außer Lesen oder Schwimmen, also unterhält man sich über Gott und die Welt. Niemand checkt zwischendurch sein Handy oder die sozialen Medien oder knipst ständig Selfies. Man verbringt den Tag mit Schnorcheln, Segeln, Arbeiten an Bord, Kochen, Reden. Am Abend hat man eine Menge Sonne aufgesogen, man ist positiv erschöpft davon, den ganzen Tag draußen gewesen zu sein, und die Crew versammelt sich im Cockpit für selbstgekochtes Abendessen und Drinks. Das Boot liegt vor Anker und schaukelt sanft. Niemand sonst ist da. Der Himmel ist voller Sterne. Die Themen, die aufkommen, sind anders als zu Hause: Was haben wir heute gemacht und gesehen? Wie haben wir uns dabei gefühlt? Ehe man es sich versieht, werden die Konversationen tiefer. Vielleicht ist es die Atmosphäre, die denken lässt, man sei vom Rand der Erde gefallen, sodass man über alles reden kann. Ich behaupte nicht, dass wir nie verrückte Nächte an Bord hatten, in denen wir feierten, die Musik lauter aufdrehten als ich gerne zugebe, Shots tranken, tanzten und lachten. Aber sogar die Partys an Bord sind anders. Die ausgelassene Stimmung hatte nie einen Beigeschmack von „mein Job saugt mir das Leben aus, also werde ich trinken und tanzen, um zu vergessen“. Absolut nicht. Es war mehr ein Beigeschmack von Glück, von Staunen, dass wir es so weit geschafft hatten, nur mit einem kleinen Segelboot, der Hilfe der Elemente und gutem altem Teamwork.

Auf Du und Du mit den Elementen

Wo wir gerade von den Elementen reden – man ist mit ihnen wirklich viel mehr verbunden, wenn man auf See ist. Man arbeitet mit ihnen, nicht gegen sie, und sie geben im Grunde vor, wie der Urlaub läuft. Jeden Abend prüft man, wie das Wetter am nächsten Tag sein wird. Basierend darauf, wohin können wir fahren? Was wollen wir sehen, was erleben? Es hat etwas Besonderes, sich treiben zu lassen, die Route basierend auf Wind und Wetter zu planen – etwas Tröstliches. Es ist ein starker Kontrast zum alltäglichen Leben, in dem man einfach nur irgendwo sein muss, egal wie man hinkommt, selbst wenn es anstrengend ist und sich falsch anfühlt. Auf einem Segelboot nimmt man die Umstände an, plant entsprechend und ändert diese Pläne auch, falls es nötig sein sollte.

Gegenwärtig in jedem Moment

Während man die Stille der Nächte und frühen Morgen auf See erlebt, das Zusammenarbeiten mit dem Wetter und den Elementen, wird man ganz allmählich immer achtsamer gegenüber der Umgebung. Wann hast du das letzte Mal darauf geachtet, wer an der Bushaltestelle neben dir sitzt oder auf die Landschaft, die an dir vorbeizieht, während du im Bus sitzt? Beim Segeln ist so etwas normal. Man weiß, mit wem man zusammen ist und wer einem bei was helfen kann. Vielleicht gibt es jemanden, der besonders tolle Mahlzeiten aus Resten in der kleinen Bordküche kochen kann, jemand anders ist sehr stark und kann mit dem Anker helfen, wiederum jemand anders hat keine Höhenangst und eignet sich perfekt, um den Mast hochzuklettern und die Segel zu entwirren, wenn nötig. Man weiß auch, was sich um einen herum befindet: Inseln, Riffe, Häfen. Und vor allem fühlt man mehr: Diese ganz kleine Änderung im Wind. Dass die Wellen auf einmal etwas höher sind. Das Schlagen der Segel. Die Bewegungen des Bootes.

Vielleicht sind es die sanften Bewegungen der See. Vielleicht sind es die spektakulären Orte, die man mit einem anderen Transportmittel gar nicht erreichen könnte. Vielleicht ist es, wie Fremde zu Freunden werden, während man unvergessliche Abende an Deck verbringt. Vielleicht ist es die Art und Weise, mit der man mit den Elementen und der Natur verbunden ist. Wahrscheinlich ist es die Kombination all dieser Dinge, die die Orte, die man nur dadurch erreichen kann, dass man auf See ist, so magisch machen.